Überführungsfahrt

Wasser im Schiff – das gab’s doch letztens schon mal hier?! Ja, stimmt. Aber da war’s ein Buchtitel und dieses Mal ist es ein Erlebnis eigener Natur!

Das kam so: Ich blätterte wieder mal in Ebay herum, wie so häufig auf Besichtigungstour geeigneter Jollen und anderer Segler im Umkreis Berlins, die gerade feil geboten werden. Plötzlich fiel mir diese folgende Anzeige auf. Welche eine Überraschung! Dieser Anbieter offerierte hier sehr nett und dazu kostenlos, das man seine H-Jolle auf Zeit übernähme.

H-Jolle in liebevolle Hände abzugeben.
D. h., dass Jolle nicht verkauft, sondern -aus Zeitgründen- verliehen werden soll.
Dies nach Möglichkeit in Berlin-Brandenburg.
Und alles andere muß persönlich geklärt werden.
In diesem Sinne: keine Kosten!!!!
Die Jolle ist gebraucht, aber sehr schön. Und segelklar. Und muß bewegt werden (Holz),
Wir möchten Sie im Jahr 2* kurz, einmal 2 Wochen nutzen.
Tja, bis dann.

Ola, beinahe ein echtes SailShare-Angebot! 😉

Das hatte ich bei Ebay noch nie gesehen und so setzte ich mich flugs mit dem Anbieter in Verbindung.

Es bot sich einfach an – viel zu lange hatte ich mangels ausreichender Finanzen und in Abwägung der Folgekosten gezögert, ein eigenes Boot zu erwerben. Jedoch ein Besitzverhältnis auf Zeit, das schien mir überschaubar und weniger riskant.

Kurz darauf besprachen wir Erstes am Telefon und verabredeten uns, gemeinsam nach Potsdam zu fahren, um das gute Stück zu besichtigen. Das taten wir auch und nach einigem Überlegen schlug ich in den Handel ein und war plötzlich Bootsbesitzer auf Zeit!

Nun, kurz überlegen musste ich schon, da ich bisher noch nie mit einer alten Holz-Jolle zu tun hatte und die augenscheinlich vorhandenen Mängel mir ein paar erste Sorgen bereiteten. So fand ich bei der Besichtigung eine recht gefüllte Bilge sowie ein etwas lädiertes Groß vor, das sicher keine rechte Segelfüreude bereiten würde und Gefahr lief, weiter zu zerfetzen.
Daneben muteten die weiteren sichtbaren kleineren und größeren Unstimmigkeiten erst mal eher harmlos an. Wir machten ab, ich organisiere die Segelreparatur und der Eigner übernimmt die dafür anfallenden Kosten. In diesem Zusammenhang bat er mich, ebenso die antike und absolut original wirkende sehr originelle Kuchenbude mit zum Segelmacher zu nehmen, da diese leider einige Riße besitzt und sie zum Abdecken als auch zum Zwecke des kommoden Wohnen an Bord unverzichtbar sei.

Dies erledigte ich tags drauf, allerdings nur den Reparaturauftrag des Segels. Die Instandsetzung der Kuchenbude wurde als unwirtschaftlich verworfen – da helfe nur eine Neuerstellung! Da die eh schon angedacht ist, nahm ich das Original eben unverrichteter Dinge wieder mit.

Anschließend machte ich mich daran, das Boot in einen Zustand zu versetzen, der mir den Transport nach Berlin-Wannsee auf dem Wasser ermöglicht. Ja, ich wollte dieses hübsche Boot mitnehmen, um es in mir vertrauter Umgebung, eben bei Bolle am Wannsee festzumachen. Gut oder eben nicht gut, denn da gab es keine füreien Liegeplätze mehr – aber schließlich fand ich nebenan bei Haase eine Box für den Oktober.

Das ich die Überführung direkt umzusetzen plante, lag auch mit daran, das ich mir erst kürzlich einen kleinen Außenborder zugelegt hatte, sozusagen „auf Reserve“. Den wollte ich nun, nach einigen und letztlich erfolgreichen Mühen, ihn nach 1,5 jähriger Ruhezeit wieder in Gang zu bekommen, gleich mal einer ordentlichen und sicher nicht übermäßig fordernden Aufgabe zuführen.
Tja, aber wie bringt man so ein Ding richtig an einem beliebigen Boot an? Die H-Jolle hat zwar ein entsprechendes Brett am Heckspiegel, es war allerdings etwas hoch angebracht, schien mir. Als sich aber herausstellte, das der Jollen-Eigner dasselbe Aussenborder-Modell erfolgreich benutzt hatte, war ich beruhigt und schritt zur Tat. So, und da saß er nun am Heck der Jolle, die Schraube knapp unter der Wasseroberfläche versunken. Dies besserte sich dann noch ein wenig, wenn man sich entsprechend weit hinten, auf der passenden Seite, auf dem Boot hinsetzte. Okay, das könnte klappen! Denn ich machte mir Sorge, das neben dem gewünschten Vortrieb die Wasserkühlung des Kleinen nicht hinreichend garantiert werden könne, hinge die entsprechend dafür nötige Ansaugöffnung nicht permanent tief genug unter Wasser. Denn selbst einem 2 PS-Zweitakter wird es bei der Arbeit richtig warm und ich wollte ihn ja umgehend fordern, mit seiner Hilfe das Boot zu verlegen.

Der nächste Schritt der Reisevorbereitung war dann allerdings eher einfacherer Natur: es galt den Mast zu legen. Da mir klar beschrieben worden war, wie es funktioniert, bereitete mir das nur ein wenig Unsicherheit, ob das wohl alleine zu bewerkstelligen sei. Aber es brauchte glücklicherweise keine besondere Anstrengung, dank der ausgeklügelten Technik lag der Mast in 2 Minuten so, wie er sollte – puh.

Also, noch ein bisschen aufklaren, und es konnte und sollte losgehen. Da sich die inzwischen noch zu erwartende Tageshelligkeit auf noch maximal 1,5 Stunden beschränkte, hatte ich es dann doch ziemlich eilig, loszukommen.
Ein letzter Kontrollblick unter die Motorhaube, noch etwas Sprit samt ausreichend Ó“l nachgetankt, so schien er mir und ich selbst endlich startbereit zu sein. Das ich den Motor bislang aber noch nie länger als eine Minute getestet hatte, hielt mich nun dennoch nicht davor zurück, aufzubrechen. Ich hoffte bloß, es möge alles so gut gehen, wie es meinen sorgfältigen Vorbereitungen entsprechend, den Anschein hatte. Der erste Schreck kam allerdings alsbald: nach wenigen hundert Metern Fahrstrecke hustete der Kleine und verabschiedete sich von seiner ihm aufgetragenen Arbeit. Oh verflucht, was nun?! Wie es so kommen muss, macht das einen, besonders bei auflandigem Wind, ziemlich blitzartig sehr nervös. Also, flugs das Paddel in die Hand, den richtigen Kurs angelegt, irgendwie das Ruder festgestellt, ging es zurück zur Ausgangsposition. Dort angekommen, zweifelte ich doch stark, ob mein Vorhaben an diesem Tage noch zu realisieren sein würde. Ich mochte nicht aufgeben und untersuchte den Motor um die Ursache seines Schwächelns zu finden. Ein Ab- und Wiederanbau desselben, ein erneuter Startversuch und: er lief, als sei nie etwas gewesen. Na gut, dann geht’s jetzt wirklich los!

Und so tuckerte ich voran, unbekannten Gewässern und Verkehrsverhältnissen als auch, nicht wirklich pessimistisch aber schon etwas angespannt, der Möglichkeit weiterer unvorhersehbarer Schwierigkeiten entgegen. Wie gesagt, die Sonne stand schon ziemlich tief zu diesem Zeitpunkt, als ich die bisherige Heimat des Bootes durchquerte und irgendwann endlich verließ. So schob ich den Gashebel noch etwas weiter Richtung oberen Anschlag, die Fahrt nahm gering aber doch merklich zu und ich betrachtete die in der füreien Hand gehaltene Karte, um die weitere Route zu bemessen.

Gedanklich war ich schon viel weiter, die zu erwartende Situation am Ziel beschäftigte mich. Ich hatte mir ja so schön ausgerechnet den Tag ausgesucht, an dem abends der „Wannsee in Flammen“ stehen würde. Man hatte mich auch vorgewarnt, ich solle eher fürüher am Nachmittag die Box belegen, da sonst ein Anderer, auf der Suche nach einem günstigen Feuerwerks-Beobachtungsplätzchens dieselbe vereinnahmen könne.

Während ich so dahin fahre, meinen Weg suche und mir meine Gedanken, auch über die schöne Umgebung mache, fällt mein Blick nach unten und registriert plötzlich, ziemlich erstaunt … überreichlich viel Wasser! Und das schon über den Bodenbrettern! Oh – dachte ich, der Ernstfall ist eingetreten! Alle möglichen bisher gelesenen Geschichten havarierter Schiffe schoßen mir in den Sinn. So ist das also, wenn das Ende nicht mehr weit ist, Urgh! Die Erinnerung daran, was die anderen Seeleute in dem Fall schleunigst getan haben, kommt blitzartig und läßt mich zur, glücklicherweise in Reichweite liegenden, vorhandenen Pütz greifen. Es ist unglaublich: das Boot hat in der kurzen Fahrzeit von ca. einer dreiviertel Stunde ca. 50 Liter Wasser gemacht! Ich kann es zwar immer noch kaum glauben, aber diese nicht zu übersehende Tatsache lässt mir keine andere Wahl: es muss geschöpft werden, so viel und so schnell ich kann, wenn ich nicht in Rekordzeit ein ehemaliger Bootsbesitzer werden will.

Langsam senkte sich der Wasserspiegel im Boot und meine leicht überforderte Linke fing etwas an zu Murren. Auch füragte ich mich derweil, was die anderen Bootsfahrer um mich herum wohl so dachten, das bei mir ohne Ende Wasser über Bord gekippt wurde; es hatte etwas leicht peinliches an sich, dieses Gefühl konnte ich nicht unterdrücken. Ein andere Gedanke tröstete mich gleichzeitig: Ich habe dieses olle Boot ja nicht gekauft – ich kann es, falls es nicht sinkt, z u r ü c k g e b e n! Yeah! Aber was half’s, es musste ja weitergehen, denn zudem war die Sonne war bereits hinter den Bäumen versunken und ohne entsprechende Beleuchtung an Bord lief ich ja zusätzlich Gefahr, mir möglicherweise, zu allem Überfluss meine erste von der WaPo erteilte Knolle einzufangen. Uih, ein sehr unangenehmer Gedanke obendrein – als würde ein Unglück alleine nicht schon reichen. Sicherheitshalber hielt ich möglichst nahe dem rettenden Ufer, um dies hoffentlich im allerletzten Moment vielleicht noch erreichen zu können. Dies auch aus dem Grund, das ich ja bedauerlicherweise nicht so recht einzuschätzen in der Lage war, welches Verbrauchsverhalten mein Motörchen so aufweist und ich in der gegebenen Situation erst recht nicht viel Spaß darin zu entdecken vermochte, mitten in der Fahrrinne auch noch antriebslos liegen zu bleiben.

Nachdem ich glücklich, dank meines Schöpfeinsatzes und des konstant brav vor sich hin arbeitendem 2-Takter, den größten Teil der Strecke bewältigt hatte, erspähte ich in einiger Entfernung auf dem Wasser die ersten Vorboten der Festlichkeiten. Unzählige Boote und Schiffe tummelten sich auf der Havel und in der Einfahrt zum Wannsee.
Eine neue Herausforderung meiner seemännischen Künste. Die Gegend wirkte durch die inzwischen eingetretene Dämmerung etwas sehr anders als ich sie bislang, von den diversen Tagessegelausflügen her, in Erinnerung hatte. Aber es war klar, das es nicht mehr weit zum rettenden Hafen sein konnte. Ich kam dieser pulkartigen Versammlung von Wasserfahrzeugen aller Art immer näher und musste mir hakenschlagend einen geeigneten Weg dort hindurch suchen, der Gefahr aus dem Weg gehend, irgendeinen der zumeist nicht markierten Anker bzw. deren Befestigung zu touchieren.

Weitere bange Minuten später erreichte ich ziemlich erleichtert endlich die Höhe meines angestrebten Hafens und hielt Ausschau, die richtige Einfahrt zu finden. Aber nein, es war wie verhext heute. Ich konnte sie nicht wirklich ausmachen, zu viele füremde Boote versperrten mir die, durch die eintretende Dunkelheit gerade noch gegebene, restliche Sicht und so blieb nur übrig, irgendwie anzuhalten … So machte ich schnell den Motor aus und nutzte die Restfahrt, um eine geeignete Stelle anzusteuern von wo aus ich die Lage in Ruhe klären könne. Da kam mir der Verdacht, das vielleicht zwei voraus im Päckchen liegende Yachten genau die gesuchte Ó“ffnung versperrten. Mein danach füragenden Ruf hinüber zu den gemütlich gemeinsam in ihrem Cockpit hockenden Seglern erbrachte tatsächlich genau das erwartete Ergebnis und sie machten sich daran, eins ihrer Boote zu verholen, damit ich die Einfahrt passieren konnte.
Ich hangelte mich anschließend per „Handantrieb“ langsam in die Boxengasse des Hafens und füreute mich, den mir zugesagten Liegeplatz leer vorzufinden. Ein letzter Einschlag der Pinne und ich war angekommen – das war aber noch mal gut gegangen!

Ein üppig pulsierendes Nachtleben an Land samt reichlicher Beleuchtung und Beschallung empfing mich. Das Festmachen war dann nur noch Kür und ich konnte mich ans Aufklaren geben. Den folgend genossenen Kaffee hab ich dann wirklich gebraucht. Das später veranstaltete wirklich großartige Wannsee-Feuerwerk war gleichzeitig für „Ronja“ und mich ein würdiger Empfang und Belohnung einer recht abenteuerlichen ersten gemeinsamen Fahrt.

So hoffe ich, die kommenden Oktobertage bringen wenigstens seglerisch nur positive Resultate. Auch wenn die Unsicherheit, die Wasserfluten betreffend, mein zukünftiger Begleiter sein wird. Jedoch, eine Reparatur kommt erst in Folge in Betracht, wenn das gute Stück für seine Winterpause an Land kommt. Also, eine Bilgenpumpe muß her!

Ich bin gespannt, wie sich das Ding segelt! Und, ich werde euch auf dem Laufenden halten. 😉

Kategorien: Berichte

Clemens

Chefredakteur

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